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Neues vom Räuber Hotzenplotz - Otfried Preußler

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„Zum Teufel mit diesem Dimpfelmoser!", erboste sich Hotzenplotz. „Ich sehe ja ein, dass er meine Höhle durchsuchen musste. Aber er hätte doch wenigstens dafür sorgen können, dass hinterher alles wieder an seinen Platz kommt! – Mal sehen, was fehlt ..."

Was fehlte, waren die sieben Messer, die Pfefferpistole, das Fernrohr, der Räubersäbel, das Pulverfass und die Pfeffertonne. Herr Dimpfelmoser hatte sie bei der Durchsuchung der Höhle beschlagnahmt und wegbringen lassen. Aber den Räuber Hotzenplotz ließ das völlig kalt, für solche Fälle hatte er vorgesorgt.

Er rückte sein Bett von der Wand und öffnete eine verborgene Luke im Fußboden.

„Es geht eben nichts über einen geheimen Vorratskeller", sagte er, legte sich auf den Bauch und steckte den Arm durch die Luke.

Für jedes beschlagnahmte Messer lagen da unten drei neue bereit, nebst allem anderen, was man als Räuber zur Ausübung seines Berufes braucht. Mit sicherem Griff zog er eine geladene Pfefferpistole herauf.

„Die reicht mir fürs Erste", meinte er. „Alles andere später, sobald ich hier oben ein wenig Ordnung gemacht habe."

Ordnung machen war etwas, was er besonders ungern tat.

„Ich komme mir vor wie mein eigenes Dienstmädchen!", schimpfte er. „Doch so wahr ich der Räuber Hotzenplotz bin – ich werde mich dafür rächen! Nicht nur an Dimpfelmoser, sondern vor allem an Kasperl und Seppel. Die sollen mich nicht umsonst ins Loch gebracht haben! Gleich morgen will ich mich auf die Lauer legen – und wenn ich sie kriege, dann mache ich Schmorbraten aus den beiden! Ja – Schmooorbraten, hö-hö-hö-höööh!"

Mit Flaschenpost

Am nächsten Morgen brach Hotzenplotz auf, um Kasperl und Seppel zu fangen. Wieder trug er die Polizeiuniform – nur dass diesmal in seinem Gürtel die Pfefferpistole und sieben Messer steckten. Das Ersatzfernrohr und ein paar handfeste Stricke hatte er auch dabei.

Hinter den Ginsterbüschen am Waldrand bezog er Posten.

„Hier bleibe ich liegen und warte, bis sie vorbeikommen", schwor er sich, „Irgendwann kommen sie ganz bestimmt vorbei. Das habe ich so in der Nase, verdammt noch mal – und bis jetzt ist auf meine Nase noch immer Verlass gewesen!"

Er beobachtete durch das Fernrohr die Landstraße. Nirgends ein Mensch zu erspähen.

Die Sonne schien Hotzenplotz auf den Kopf, eine Fliege summte um seinen Helm. Um nicht versehentlich einzuschlafen, nahm er von Zeit zu Zeit eine Prise Schnupftabak.

„Man sollte es nicht für möglich halten, wie einen vierzehn Tage im Spritzenhaus aus der Übung bringen!", knurrte er.

„Früher konnte ich stundenlang auf der Lauer liegen und trotzdem bin ich nicht schläfrig geworden ..."

Mit einem Mal gab es ihm einen Riss. Auf der Landstraße näherten sich zwei wohl bekannte Gestalten. Die eine, das sah er im Fernrohr ganz deutlich, trug eine rote Kasperlmütze, die andere einen grünen Seppelhut.

Mit einem Schlag war der Räuber Hotzenplotz pudelwach.

„Habe ich nicht gewusst, dass sie hier vorbeikommen werden?", brummte er. „Sind vermutlich beim Fischen gewesen, die beiden. Seppel trägt eine Angelrute über der Schulter und Kasperl ein Netz ... Übrigens hängt in dem Netz etwas drin. Scheint was Schweres zu sein ... Eine Flasche vielleicht? Ja, zum Schinder, das ist eine Flasche – jetzt sehe ich's ganz genau. Ob da Rum drin ist? Oder Birnengeist?"

Hotzenplotz spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Trotzdem bewahrte er kaltes Blut und machte sich sprungbereit. Er ließ Kasperl und Seppel auf wenige Schritte herankommen. Dann brach er mit vorgehaltener Pfefferpistole aus dem Gebüsch hervor.

„Hände hoch – oder es knallt!"

Kasperl und Seppel ließen das Angelzeug fallen und hoben die Hände. Plötzlich fing Kasperl zu lachen an.

„Sie sind von der Polizei und jagen uns einen solchen Schreck ein? Was soll denn das?!"

Hotzenplotz hielt ihm die Pfefferpistole unter die Nase.

„Schau mir mal ins Gesicht und denk dir den Helm und den roten Kragen weg! Jetzt vergeht dir das Lachen, wie?"

Kasperl verdrehte die Augen und Seppel klapperte mit den Zähnen; sie hatten es vorher gründlich geübt.

„S-sie s-sind d-das?", stotterte Kasperl.

„Ja, ich bin das, hö-hö-hö-höööh! Überrascht euch das etwa?"

Hotzenplotz deutete mit dem Pistolenlauf auf die Flasche in Kasperls Netz.

„Woher habt ihr die?"

„Aus dem St-tadtb-bach gefischt. Es ist eine ... eine Fla..."

„Warum sprichst du nicht weiter? Her damit! Wollen mal sehen, was drin ist!"

Hotzenplotz ließ sich die Flasche geben, beguckte sie gründlich von allen Seiten und meinte kopfschüttelnd:

„Wenn mich nicht alles täuscht, ist das Ding versiegelt. Und hier klebt ein Zettel drauf, wie ich sehe ..."

Der Zettel trug eine Aufschrift in großen, ein wenig verschnörkelten Buchstaben:

FLASCHENPOST

WICHTIGE MITTEILUNG AN DIE POLIZEI!

ÖFFNEN DURCH NICHTPOLIZEIBEAMTE STRENG VERBOTEN!

Hotzenplotz grinste und rieb sich das Kinn.

„Was verboten ist, reizt mich doppelt. Ich werde die Flasche natürlich öffnen."

„Das dürfen Sie nicht!", rief Kasperl. „Sie sind ja kein Polizeibeamter!"

Hotzenplotz lachte ihn schallend aus.

„Willst du mir etwa Vorschriften machen? Sieh mal, wie rasch das geht!" Er zog seinen Säbel und hackte die Flasche mit einem kurzen Schlag in der Mitte durch.

Ein zusammengerolltes Papier fiel heraus. Er bückte sich, hob es auf, überflog es – und sah auf den ersten Blick, dass äußerste Vorsicht geboten war.

„Umdrehen!", herrschte er Kasperl und Seppel an. „Augen zu! Ohren zuhalten!"

Jetzt erst begann er den Brief aus der Flasche zu lesen, von dem er nicht ahnen konnte, dass Großmutter ihn in Kasperls Auftrag geschrieben hatte:

Werter Her Dimpfelmoser!

In der Todesstunde vertraue ich dieser Flaschenpost ein Geheimnis. Alle Reichtümer an Geld und Gold, die ich im Lauf meines langen Lebens zusammengehamstert habe, liegen im Spritzenhaus unseres Städchens vergraben. Sie werden gebeten, sie polizeilich sicherzustellen und an die armen Leute zu verteilen. Sonst finde ich keine Ruhe im Grab.

Ein unbekannt

bleiben wollender

jedoch reuiger Sünder

Der Schatz ist verzaubert. Er muss bei Vollmond gehoben werden, sonst geht es schief.

Hotzenplotz rieb sich die Augen und zwickte sich in die Nase. Kein Zweifel, er träumte nicht!

Die Nachricht vom Geld- und Goldschatz im Spritzenhaus ließ ihn für eine Weile alles vergessen, was ringsum geschah. Kasperl und Seppel machten sich das zunutze und rannten davon. Hotzenplotz merkte es einige Augenblicke zu spät.

„Halt!", rief er. „Stehen bleiben, verdammt noch mal – stehen bleiben!"

Für einen Schuss aus der Pfefferpistole waren sie zu weit weg und nachlaufen wollte er ihnen nicht. Wozu auch? Für diesmal konnten ihm Kasperl und Seppel gestohlen bleiben. Im Augenblick gab es Dinge, die tausendmal wichtiger waren.

„Ob das stimmt, was da auf dem Zettel steht?", überlegte er.

Warum sollte es eigentlich nicht stimmen? Immerhin war die Flaschenpost ja versiegelt gewesen.

Er rollte den Brief zusammen und steckte ihn in die Hosentasche.

„Ich werde der Sache mit dem vergrabenen Schatz auf den Grund gehen", nahm er sich vor. „Das soll mir mit Hilfe des Spritzenhausschlüssels nicht schwer fallen. Außerdem haben wir heute Vollmond, das trifft sich ja."

Dass er mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen musste, verstand sich von selbst. Er wollte sich recht viel Zeit lassen und die Umgebung des Spritzenhauses sorgfältig auskundschaften, bevor er hineinging.

„Sicher ist sicher", dachte er. „Wenn ich Glück habe, bin ich morgen ein reicher Mann und kann es mir leisten, die Räuberei an den Nagel zu hängen. Hoffen wir, dass nichts dazwischenkommt!"

Sechsunddreißig Knöpfe

Kasperl und Seppel freuten sich, weil mit Hotzenplotz alles so schön geklappt hatte. Sie zweifelten nicht daran, dass er auf ihren Schwindel mit der Flaschenpost hereingefallen war.

Am Abend ließen sie sich von Großmutter im Spritzenhaus einschließen. Das war notwendig, weil sich das Spritzenhaus nur von außen zusperren ließ. Großmutter zog den Schlüssel ab und wünschte ihnen viel Glück.

„Gebt Acht, dass ihr nicht danebenhaut! Dieser Mensch ist zu allem fähig. Wenn euer Plan nicht so gut wäre, müsste man richtig Angst haben."

Großmutter hatte trotzdem Angst um sie, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ. Um auf andere Gedanken zu kommen, machte sie auf dem Heimweg einen Besuch bei Frau Meier von nebenan. Frau Meier bewirtete sie mit Tee und Zuckerplätzchen. Dann begannen die alten Damen zu plaudern und da sie meist gleichzeitig redeten, wurde es keiner von beiden langweilig. Die Zeit verging ihnen wie im Flug und als Großmutter endlich aufbrach, war es schon ziemlich spät geworden.

Bei ihr zu Hause im Wohnzimmer brannte Licht. Herr Oberwachtmeister Dimpfelmoser saß auf dem Sofa. Er hatte sich in die Bettdecke eingehüllt und schien nicht besonders glücklich zu sein.

„Wo bleiben Sie denn so lange, zum Donnerwetter!"

„Wieso?", fragte Großmutter.

„Weil ich längst wieder im Dienst sein könnte, wenn Sie vom Spritzenhaus gleich nach Hause gekommen wären! Da – sehen Sie sich das an!"

Auf der Kommode neben dem Sofa lag seine zweite Uniform, frisch gereinigt und aufgebügelt.

„Sie waren kaum weg", sagte Dimpfelmoser, „da klingelt es an der Tür und der Lehrjunge von der Reinigungsanstalt steht draußen, mit einem Paket unterm Arm. Eine schöne Empfehlung vom Chef, und weil ich es bin, hätten sie Überstunden gemacht."

„Na also!", rief Großmutter. „Wunderbar! Da sehen Sie, was man alles erreichen kann, wenn man den Leuten ein bisschen Dampf macht. Ich verstehe bloß nicht, weshalb Sie noch immer halb nackt da herumsitzen. Wollen Sie sich nicht anziehen?"

Herr Dimpfelmoser blickte sie traurig an.

„Die Knöpfe!", sagte er achselzuckend. „Die haben sie in der Reinigung alle abgeschnitten." – Er zeigte auf eine Papiertüte neben der Uniform. – „Ich hätte sie mir längst angenäht, wenn ich wüsste, wo Sie Ihr Nähzeug haben ..."

Großmutter holte das Nadelkissen, den Fingerhut und eine Rolle schwarzen Zwirn von der derben Sorte. Dann nähte sie Herrn Dimpfelmoser die Knöpfe an die Uniform, alle sechsunddreißig. Die Hosenknöpfe zuerst, dann die Knöpfe am Rock: auf der Brust, an den Taschen, den Ärmeln, am Kragen und an den Schulterstücken. Das dauerte seine Zeit, denn Großmutter hielt nichts von schlampiger Arbeit.

„Ich nähe, so schnell ich kann und so gründlich wie möglich", sagte sie. „Schneller geht es beim besten Willen nicht."

Endlich saß auch der sechsunddreißigste Knopf an der Stelle, wohin er gehörte. Herr Dimpfelmoser atmete auf. Ruck, zuck war er angezogen. Er setzte den Helm auf und schnallte den Säbel um.

„Großmutter", sagte er, sich den Schnurrbart zwirbelnd, „Sie ahnen gar nicht, wie dankbar ich Ihnen bin! Endlich fühlt man sich wieder als ganzer Mensch. Und nun schleunigst ins Spritzenhaus! Hoffentlich haben Kasperl und Seppel dort keinen Murks gemacht, so ein Räuberfang ist bekanntlich kein Kinderspiel!"

Er stürmte mit langen Schritten davon. Vor der Haustür bestieg er sein Fahrrad und wollte losfahren – da kam Großmutter aus dem Haus gelaufen.

„Herr Oberwachtmeister!", rief sie. „Herr Oberwachtmeister!"

„Was gibt's denn? Sie sehen doch, dass ich in Eile bin!"

„Aber der Schlüssel, Herr Oberwachtmeister! Wollen Sie denn den Schlüssel nicht mitnehmen?"

„Welchen Schlüssel, zum Donnerwetter?"

„Den Schlüssel zum Spritzenhaus!"

„Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Her damit, her damit! Jede Sekunde ist kostbar, auf Wiedersehen!"

„Auf Wiedersehen, Herr Oberwachtmeister! Alles Gute!"

Großmutter blieb in der Haustür stehen und wartete, bis das rote Rücklicht im Dunkel der Nacht verschwunden war.

„Ich finde es ungeheuer beruhigend, dass er Kasperl und Seppel zu Hilfe eilt", dachte sie.

Immer hereinspaziert

Im Spritzenhaus herrschte tiefe Finsternis. Kasperl hatte sich an der rechten Innenseite des Tores aufgestellt, Seppel links, jeder mit einer Feuerpatsche bewaffnet.

„Ob Hotzenplotz kommt?", fragte Seppel zum einhundertsiebenundfünfzigsten Mal; und Kasperl antwortete: „Bestimmt! Oder meinst du, dass der sich einen vergrabenen Schatz entgehen lässt?"

Seppel kicherte vor sich hin.

„Schade, dass es hier drin so finster ist! Ich wollte, wir könnten sein dummes Gesicht sehen, wenn wir ihm unsere Feuerpatschen aufs Dach hauen ..."

„Pscht!", unterbrach ihn Kasperl aufgeregt. „Draußen kommt wer!"

Sie hörten, wie jemand über den Marktplatz geradelt kam und das Rad an der Mauer abstellte.

Hotzenplotz – mit dem Fahrrad?

„Gewiss hat er es gestohlen", flüsterte Kasperl.

Nun wurde ans Tor geklopft.

„Seid ihr noch drin?", fragte eine leise Stimme.

Kasperl und Seppel verhielten sich mäuschenstill. So dumm waren sie nicht, dass sie Hotzenplotz auf den Leim gingen und sich verrieten.

„Warum sagt ihr nichts? Ich bin es, Dimpfelmoser! Wartet, ich komme jetzt zu euch rein ..."

„Komm du nur!", dachte Kasperl. „Du scheinst nicht zu wissen, dass Oberwachtmeister Dimpfelmoser seit gestern Mittag bei uns zu Hause im Bett liegt!"

Draußen wurde der Schlüssel ins Schloss gesteckt und zweimal herumgedreht. Kasperl und Seppel hoben die Feuerpatschen und hielten den Atem an.

Vorsichtig wurde das Tor geöffnet und jemand steckte den Kopf herein. Im Mondschein erkannten sie, dass es Hotzenplotz sein musste. Wie zu erwarten, trug er die Polizeiuniform und den Helm des Herrn Oberwachtmeisters Dimpfelmoser.

„Immer hereinspaziert!" Kasperl schlug ihm mit seiner Feuerpatsche den Helm vom Kopf, Seppel besorgte den Rest.

„So, den hätten wir! – Und was nun?"

„Nun die Uniform aus und den Schlauch her!"

Der Gefangene lag auf der Nase und rührte sich nicht. Kasperl zog ihm mit Seppels Hilfe die Uniform aus. Nebst Schuhen und Strumpfsocken, wie sich von selbst versteht. Dann wickelten sie ihn von unten bis oben in einen Feuerwehrschlauch und stülpten ihm einen leeren Wassereimer über den Kopf.

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